Assuan

Sonntag, 5. Juni 2016

Unser Kapitän hat unterhalb der langen Uferpromenade, der Corniche von Assuan, festgemacht. Assuan ist Ägyptens südlichste Großstadt und mit ungefähr 280.000 Einwohnern auch eine der größten Städte Oberägyptens.  Assuan war wegen der abwechslungsreichen Flusslandschaft mit ihren felsigen Nilinseln und wegen des trockenen und im Winterhalbjahr gut verträglichen Klimas ein beliebter Urlaubsort und Zielpunkt für die Nilfahrer. Bekannt ist der Ort auch durch die von den Granitfelsen gebildeten Katarakte und die zahlreichen Feluken, die mit den Touristen zwischen den kleinen Inseln hin- und herkreuzen. Am von unserem Liegeplatz gegenüberliegenden westlichen Ufer reichen die Sanddünen der Sahara bis an den Nil heran. Das Mövenpick-Hotel auf der Insel Elephantine, nicht weit von unserer Anlegestelle entfernt, habe ich schon in der Nacht erkennen können. 

Aber in den letzten Jahren hat auch hier der Tourismus sehr starke Einbußen hinnehmen müssen. Es liegen nur wenige Schiffe mit Touristen an, die Hotels sind kaum gebucht und die Feluken liegen meist vertäut am Steg. 

Nach dem wieder frühen Frühstück machen wir uns mit Mohamed auf den Weg. Der klimatisierte Kleinbus steht oben an der Straße bereit, um mit uns die heutigen Ausflugspunkte anzusteuern. Zuerst machen wir Halt an einem der zahlreichen Steinbrüche, die hier bis in den Ort hineinreichen. Die Häuser stehen teilweise bis an die Abbruchkante der Brüche.  

Am bekanntesten ist der Granitsteinbruch mit dem unvollendete Obelisken. Die Arbeiter waren damals schon ziemlich weit gekommen, als sie feststellen mussten, das der Stein an einer Stelle gebrochen war. 

Was die damals wohl geflucht haben? So liegt der  nicht vollständig vom Felsen gelöste Riese mitten in der Stadt.  

42 m lang und über 1000 Tonnen schwer, wäre er sicherlich einer der größten Obeliske geworden. Man vermutet, das er für den Tempel des Amun-Re in Karnak vorgesehen war. Hat leider nicht geklappt. So können wir das Monstrum von allen Seiten begutachten. Für unseren Garten wäre er wohl etwas zu groß geworden. 

Mit uns waren nur noch eine Handvoll anderer Touristen auf dem Gelände des Steinbruchs zu sehen. Von hier aus ging es im gut gekühlten Van weiter zum nächsten Großprojekt, welches aber inzwischen vollendet ist, dem Assuan-Staudamm

Gute 10 Kilometer von Assuan stromaufwärts staut er den Nil zu dem riesigen Nassersee auf. Der See erstreckt sich bis in den Sudan.

Die Zufahrt auf den Staudamm ist gut bewacht. gepanzerte Fahrzeuge und bewaffnete Soldaten haben alles im Blick. Auch an dem Informationspunkt in der Mitte des Staudamms ist eine kleine Station des Militärs. Wir fühlen uns hier sicher, aber auch nicht übermäßig unter Kontrolle.

Der Bau des 3.800 Meter langen und 111 Meter hohen Staudammes begann im Januar 1960 mit Unterstützung der Sowjetunion, die zur damaligen Zeit um mehr Einfluss auf dem afrikanischen Kontinent bemüht war. Sie unterstütze das prestigeträchtige Projekt nicht nur finanziell, sondern auch schon bei der Planung und mit der Entsendung von ca. 2.000 Ingenieuren und der Bereitstellung benötigter Baugeräte. Am 9. Januar 1960 begann der Bau des Assuan-Staudamms mit einer Sprengung und bereits 1964 war der erste Bauabschnitt fertiggestellt und die Flutung des Stausees konnte beginnen. Fertig war der Damm 1970 und die feierliche Eröffnung durch Nassers Nachfolger Anwar el-Sadat fand am 15. Januar 1971 statt. Die komplette Füllung des riesigen Sees sollte aber noch fünf weitere Jahre dauern.

Auf der 40 Meter breiten Krone ist ein kleiner Grünzug angelegt mit Informationen über den Bau und Einzugsgebiet des gigantischen Bauwerkes. Das der Damm  an der Sohle 980 Meter breit ist kann man nicht einmal erahnen. Das Beton-Denkmal in Form einer Lotusblüte erinnert an die ägyptisch-sowjetische Freundschaft. 

Der Isis-Tempel von Philae

Zurück über den alten Staudamm fahren wir zu einem kleinen Hafen am Ostufer des Stausees gegenüber der kleinen Insel Agilkia. Auf dieser kleinen Inseln steht seit 1980 der Isis-Tempel von Philae.

Ursprünglich befand sich der Tempel auf der gleichnamigen und heute überfluteten Insel Philae 600 Meter weiter südöstlich. Bereits mit dem Bau des alten Staudamms von Assuan versanken Bereiche der Tempelanlagen im Wasser. Durch den Bau des größeren neuen Staudammes etwas weiter südlich verschlechterte sich die Situation noch einmal und der Erhalt der Tempel von Philae war endgültig gefährdet und machte zwischen 1972 und 1980 eine Umsetzung notwendig.  Fast 44.000 Steinblöcke wurden durchnummeriert, abgebaut und auf der 13 Meter höher gelegenen Insel Agilkia wieder aufgebaut. Die UNESCO übernahm die Schirmherrschaft und half mit finanzieller Unterstützung. Die Kosten für die Rettungsaktion beliefen sich auf ca. 30 Millionen US-Dollar. 1979 wurden die Tempel von Philae zum Weltkulturerbe erklärt und zum Beginn des Jahres 1980 waren die Arbeiten am neuen Standort auf Angílka abgeschlossen. Am 10. März 1980 wurde die Anlage offiziell übergeben. 

Wir steigen in ein kleines Boot und fahren um die Insel herum und erreichen die Südspitze. An einem kleinen Anleger steigen wir aus und steigen ein paar Stufen hoch zu einem der schönsten Heiligtümer Ägyptens.

Wir betreten einen großen, von Säulen begrenzten Vorplatz. Die westlichen Kolonnade sind mehr als neunzig Meter lang. Auf dem Eingangspylon, 45,5 Meter breit und 18 Meter hoch,  zum Isis-Tempel sind schon von hier die großen Reliefdarstellungen zu erkennen. Durch das Tor des des ersten Pylons gelangen wir in den Vorhof, der im Norden vom zweiten Pylon begrenzt. Er ist 12 Meter hoch und 32 Meter breit. Durch diesen gelangen wir in den eigentlichen Isis-Tempels mit dem offenen Tempelhof und zwei kleinen seitlichen Hallen.

Um das Hauptgebäude für die Göttin Isis stehen weitere kleine Bauwerke und Säulengänge. Nach dem Ablegen haben wir am Ostufer der Insel noch einen schönen Blick auf den Säulen-Kiosk aus römischer Zeit. Er ist etwa 20 Meter lang, 15 Meter breit und rund 15 Meter hoch.

Die Insel war wirklich einen Besuch wert und auch hier sehr wenig los.

Im Anschluss machten wir noch einen Stopp an einer Parfüm Manufaktur. Nachdem wir einen Tee gereicht bekommen haben, wurden uns verschiedene Essenzen vorgestellt: blumige Essenzen, Parfüms und Gesundheitsöle.  Ein sehr schöner Laden und eine gute Verkaufsveranstaltung. Ob alles wahr ist und man im Anschluss etwas kaufen möchte muss jeder selber entscheiden. Uns hat es gefallen und wir haben die ägyptische Wirtschaft etwas unterstützt.

Nach einer kleinen Mittagspause an Bord der MS Senator geht es auch schon weiter mit dem nächsten Ausflug. Mit fünf weiteren Gästen der neben uns liegenden “Jaz Crowne” fahren wir mit einem kleinem Motorboot nilaufwärts. Vorbei geht es zuerst an der kleinen Kitchener-Insel. Auf der 650 Meter langen und 115 Meter breiten Insel befindet sich der Botanische Garten der Stadt Assuan. Wegen der kolonialen Vergangenheit, die mit dem Namen Herbert Kitcheners verbunden ist, bevorzugen die Ägypter daher heute lieber den Namen "Insel der Pflanzen, auf arabisch „Geziret en-Nabatat“. Herbert Kitchener war von 1892 bis 1899 Oberbefehlshaber der ägyptischen Armee und man überließ ihm die Insel 1899 für seine Verdienste. Er ließ hier viele exotische Blumen, Bäume und andere Pflanzen aus Asien und Afrika pflanzen und bildete damit den Grundstein für die heute bei Touristen und Einheimischen beliebte Gartenanlage.

Nur ein Stück weiter steht am Westufer das Aga Khan Mausoleum. Aga Khan III verbrachte in Assuan  viele Jahre lang die Wintermonate und suchte in dem warmen und trockenen Klima Heilung von seinem Rheuma. Nach seinem Tod ließ seine letzte Frau, eine gebürtige Französin und Miss Frankreich von 1930, für ihn ein Mausoleum mit Blick über den Nil errichten. Später wurde sie hier auch selbst beigesetzt. So eine Bootsfahrt bildet doch ungemein.

Unser eigentliches Ziel liegt aber noch eine schöne Strecke weiter hoch. Unterwegs, diesmal am östlichen Nilufer, das koloniale Old Cataract Hotel.  Hier auf der Terrasse hat Agatha Christie "Tod auf dem Nil" geschrieben. Oberhalb liegt ein kleines Naturschutzgebiet und über kleine Stromschnellen bahnt sich der Nil seinen Weg. Im Schilf sehen wir Reiher und andere Vögel. Fischer suchen etwas Schatten bei 45°C, auf dem Fluss lässt es sich aber trotz der hohen Temperaturen gut aushalten. An der schönen Badestelle machen wir leider nicht Halt. Schade, einmal im Nil schwimmen wäre schon toll gewesen. Aber auch so ist die Fahrt zwischen den kleinen Inseln faszinierend. 

Gegenüber der Nilinsel Sehelnarti unterhalb des alten Staudamms legen wir am westlichen Nilufer in dem kleinen Nubierdorf Gharb Sahel an. Von hier hat man einen Blick auf den ersten Katarakt und den nicht weit entfernten alten Staudamm.

Links die Fahrtstrecke, aufgezeichnet per GPS und auch nachzusehen unter dem folgendem Link: Zu den Nubiern

Das Niltal südlich von Assuan war über Jahrtausende die Heimat der dunkelhäutigen Nubier. Durch den Bau des neuen Hochdamms von Assuan wurde deren Heimat ab 1971 allerdings komplett überschwemmt und 35 nubische Dörfer und ca. 100.000 bis 150.000 Nubier mussten umsiedeln. Etwa 60.000 zum Beispiel in die Nähe von Kom Ombo, aber auch hier gegenüber von Assuan haben sich die Nubier angesiedelt. An Land gehen wir zwischen den kleinen, bunten Häusern über die sandigen Straßen zum Schulhaus. Hier werden wir vom Lehrer des Dorfes empfangen und erhalten einen Unterricht über die eigene Sprache der Nubier, die vom Aussterben bedroht ist, da sie nur mündlich weitergegeben wird.

Über den schön bemalten Türen sind manchmal Krokodilköpfe angebracht, denn Krokodile wurden hier früher als Götter verehrt. Auch heute werden von den Nubiern noch Krokodile gezüchtet um das Fleisch zu verkaufen. wir sehen zwei Krokodile in einem viel zu kleinem Becken. Nicht so schön! Umso schöner aber die Einladung zu einem Tee auf einer kleinen Dachterrasse. Vater und Tochter servieren uns den typischen Minztee und wir erfahren noch einiges über das heutige Leben der Nubier.  Zurück geht es dann mit Blick auf badende Jugendliche, Häuser am Nil und Feluken im  gegenlicht der untergehenden Sonne.

Nach unserer Rückkehr auf der MS Senator haben wir noch etwas Zeit die heutigen Eindrücke Revue passieren zu lassen. Unfertiger Obelisk, Staudamm, Isis-Tempel und die Fahrt zu den Nubiern. Es war wieder ein ereignisreicher Tag.

Das Abendessen war ausgezeichnet und wir gehen zeitig auf unsere Kabine. Am nächsten Morgen geht es früh los, bereits um 3:00 Uhr starten wir in Richtung Abu Simbel!


Abu Simbel >>