Tallinn / estland

Dienstag, 14. Juli 2015

Liegezeit: 8:00 bis 18:00 Uhr im Hafen von Tallinn

Tallinn ist die Hauptstadt von Estland. Sie liegt wie St. Petersburg am Finnischen Meerbusen der Ostsee, nur etwa 80 Kilometer südlich von Helsinki.

Um 8:00 Uhr legen wir im stadtnahen Hafen an. Von unserem Balkon haben wir schon einen schönen Blick auf die Altstadt.  Für den kurzen Fußweg brauchen wir heute keinen Shuttlebus oder geführten Ausflug buchen. Die Erkundung nehmen wir uns wieder auf eigene Faust vor, einen kleinen Reiseführer mit Stadtplan haben wir ja dabei.

Während wir am Frühstückstisch sitzen, macht neben uns an der Pier die MSC Orchestra fest.

Das war es dann erstmal mit dem Ausblick auf die Stadt, nur noch Balkone im Abstand

von 20 m direkt gegenüber sind in unserem Blickfeld.

Aber wir wollen ja sowieso gleich los. Der kurze Weg in die Stadt (maximal ca. 15 Minuten) ist leicht zu finden.

Das Tor zur Altstadt, die sogenannte "Dicke Margarethe", konnten wir schon von Bord aus sehen. Hier beginnt die Altstadt von Tallin mit den schön renovierten Häuserzeilen.

Erstes Beispiel sind die "Drei Schwestern". Man erzählt sich, das das Ensemble ein Kaufmann für seine drei Töchter errichten ließ.

Unser erstes Ziel ist der Weg zum Domberg, dem Toompea, hoch und darum biegen wir nach den 3 Schwestern rechts ab in die Tolligasse um außerhalb der gut erhaltenen Stadtmauer entlang zu gehen. Hier sind um diese Zeit noch nicht so viele Touristen unterwegs. Vom Platz der Türme haben wir den besten Blick auf die Stadtmauer. Eigentlich ist es gar kein Platz, sondern der Abschnitt eines Parkstreifens. Im Moment ist der Bereich für das jährliche Blumenfestival (Lillefestival) sehr schön gestaltet. Pflanzbeete und Kunstobjekte lockern die Grünfläche auf.

Aber auch der Blick auf die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts errichtete Stadtmauer ist beeindruckend. Über 300 Jahre wurde immer wieder ausgebaut, verstärkt und erweitert. So wurde Tallin damals zu einer der am besten befestigten Städte des Ostseeraums. Die gesamte Mauer war über 2 Kilometer lang, bis 16 m hoch und 2 -3 m dick. Von den ehemals 40 Türmen sind heute noch 26 erhalten und von der Mauer immerhin noch 1,85 Kilometer. Auch hier hatte man zwar begonnen, die alten Mauern ab zutragen, doch gerade noch rechtzeitig setzte sich der Gedanke zum Erhalt der Mauer durch. Leider gibt es keine Möglichkeit auf der Mauer entlang zu gehen, wie zum Beispiel in Rothenburg. Einzelne Türme stehen allerdings zur Besichtigung offen.

Durch einen kleinen Durchgang betreten wir wieder die engen Gassen der Altstadt. Über

stetig ansteigende Gassen mit Kopfsteinpflaster und Treppen kommen wir hoch zum Domberg. Vom Patkuli vaateplats (Patkul-Aussichtspunkt) haben wir einen tollen Rundumblick über die Stadt. 

An der Domkirche und der Alexander-Newski-Kathedrale ist es uns zu voll und wir verzichten auf einen Innenbesichtigung. Die vielen Besucher sind kein Wunder, gibt es außer Domkirche und Kathedrale noch weitere schöne Gebäude und Gassen zu bestaunen. Unter anderem tagt hier das estnische Parlament im Stenbockhaus, welches wir schon von unten auf dem Weg zur Patkuli vaateplats sehen konnten. 

Auch das Schloss im spätbarocken Stil wird noch teilweise vom estnischen Parlament genutzt, daher ist eine Besichtigung nicht möglich.  Der Parkbereich neben dem Schloss heißt Kuberneri aed oder Gouverneursgarten. Am Ende des Parks ragt der Lange Hermann in den Himmel, mit 45 m Höhe einer der mächtigsten Türme der Festungsanlagen. Die estnische Flagge wird jeden Morgen bei Sonnenaufgang gehisst und bei Sonnenuntergang wieder eingeholt.

Von der Oberstadt geht es runter zum Marktplatz. Zuerst haben wir aber noch einen schönen Blick auf die Unterstadt, bevor wir an dem Freiheitsplatz vorbeikommen.  Zum 18. Jahrestag der Wiedererlangung der Unabhängigkeit am 20. August 2009 wurde er nach Umbauten feierlich wiedereröffnet. Jetzt soll er der zweitschönste nach dem Rathausplatz sein.  Das Denkmal für den Unabhängigkeitskrieg ist ziemlich protzig, bildet aber mit seinen Treppen einen guten Abschluss für den Platz.

Durch die Harju-Straße kommen wir zum Rathausplatz. Hier ist um diese Zeit schon ordentlich was los. Die netten Damen aus Asien sind auch hier wieder unterwegs.

Wir lassen uns durch die Gassen treiben. Es ist voll, aber alles noch sehr angenehm. Also keine beklemmende Enge. Anja meint, das hier wie auf einem mittelalterlichen Markt zugeht. Da hat sie nicht ganz unrecht.

Zwischendurch stärken wir uns in einem schönen Innenhof mit Kuchen und einer Schokolade im Café von der Cholaterie de Pierre. Nach unser bisherigen Stadterkundung durch die wunderschöne Altstadt Tallinns ist die Pierre Chocolaterie ein netter Ort sich windgeschützt im Schatten zu entspannen. Im etwas alternativem Innenhof haben sich noch verschiedene kreative Handwerker angesiedelt. Kaffee und Kuchen gibt es in guter Qualität und teilweise auch überraschender Zusammensetzung. Ich bin mutig und trinke die Kuum Sokolaad  "Gorgonzola ja Grappaga", also eine heiße Schokolade mit Gorgonzola und Grappa. Schmeckt sehr speziell ;-). Die Torte des Hauses schmeckt sehr lecker, zum Glück sind die Kalorien beim Backen alle verbrannt.

Nach der verdienten Pause müssen wir aber weiter. Am Viru-Tor wartet eine Pferdegespann auf Mitfahrer. Durch die engen Gassen oder den schmalen Katharinengang müssen wir aber doch selber gehen. Schöne Geschäfte, kleine Lokale bzw. Cafés oder eine Glasbläserei laden zum Besuch ein.

Nicht weit von der Mitte des Rathausplatzes steht eine der ältesten noch betriebenen Apotheken der Welt. Eine Urkunde datiert den Beginn der Apotheke auf das Jahr 1422. Heute kaufen die Besucher aber gar nichts. Die meisten Touris wollen genauso wie ich nur Fotos von dem Inneren des Gebäudes machen. Oder von dem im Einmachglas eingelegten Igel. Für welche Rezeptur der wohl gebraucht wurde kann ich nicht sagen.

Im Haus untergebracht ist auch das Restaurant Balthasar. Hier wird besonders viel Wert auf die Verwendung von Knoblauch gelegt. Es gibt sogar Knoblaucheis. Da hat zu dem Moment aber auch meine Experimentierfreude gerade Pause ;-).

Nach dem Fotostopp  in der der Ratsapotheke gehen wir durch ein Tor des Gebäudes in die Saiagang, auf deutsch Weckengang. Der Name kommt von den dort ansässigen Backstuben im 14. Jahrhundert. Auch heute gibt es noch nette Cafès. Da uns nicht der Appetit nach Knoblaucheis ist, kehren wir in der Chocolaterie Kehrwieder ein. Auch hier finden wir im Innenhof einen ruhigen Platz in der Sonne und genießen den Cappuccino.

Das nebenan liegende rosafarbene Häuschen ist aus dem dem Jahr 1656, also genau 300 Jahre älter als ich und ist das kleinste Bürgerhaus Tallins.  Auch in diesem Haus befindet sich wie in vielen anderen Gebäuden der Stadt ein Souveniergeschäft. Wer Mitbringsel sucht, muss in Tallinn nicht lange suchen. 

Im Hintergrund sieht man den Turm der Heiliggeistkirche, eine der ältesten Kirchen der Stadt. Sie wurde im 14. Jh. als Kapelle zum benachbarten Siechenhaus zum Heiligen Geist erbaut. 

Wir schlendern durch die schmalen Gassen, die etwas vom Rathausplatz entfernt sind. Hier ist etwas weniger Rummel.

Langsam müssen wir uns auf den Rückweg machen. Die Lange Straße (Pikk tänav) ist eine der wichtigsten Straßen der Altstadt und verbindet Domberg und Hafen. Wir sind also auf dem richtigen Weg.  

In der Pikk tänav stehen vier reich geschmückte Gildenhäuser sowie weitere Gebäude mit prächtigen Fassaden. Im 13. Jahrhundert galt hier das lübische (Lübecker) Recht. Hiernach mussten sich Handwerker und Kaufleute nach ihren Berufen zusammenschließen.  Das Haus der Großen Gilde mit der Hausnummer 17 gehörte dem Zusammenschluss der einflussreichen Fernkaufleute. Hierzu gehörten reiche Kaufleute oder man musste Goldschmied sein. Auch sollte man ein Haus besitzen und verheiratet sein.

Zur Kanut Gilde (Pikk 20) gehörten deutsche Handwerker, zur Olai-Gilde (Pikk 24) weniger angesehene Handwerker wie Zimmerleute, Schlachter und weitere über zwanzig Handwerksgruppen. Die unverheirateten Kaufleute trafen sich im Schwarzhäupterhaus (Pikk 26) zu einem Schwätzchen oder Geschäftsabschluss bei einem Glas Bier.

Auch heute sitzen viele Einheimische und Touristen an den Tischen der vielen Cafés und Restaurants. 

Wir wollen aber erst noch einen weiteren Blick über die Dächer der Stadt werfen. 

Hierzu bietet der Turm der Olaikirche die beste Gelegenheit, war die Kirche von 1549 bis 1625 mit 159 m doch das höchste Gebäude der Welt. Nach einem Brand wurde der Turm erst später mit einer Höhe von nur noch 124 m wieder aufgebaut. Aber auch mit dieser Höhe gehört sie noch zu den zwanzig höchsten Kirchen der Welt.

Bei dem guten Wetter heute erwartet uns oben bestimmt eine gute Aussicht. Durch eine kleine Tür betreten wir nach Zahlung von 2,-- Euro Eintritt das enge Treppenhaus. Zum Glück ist nicht ganz so viel los und der Gegenverkehr hält sich in Grenzen. Oben weisen Schilder darauf hin, das man im Uhrzeigersinn die Spitze umrunden soll. Die kleinen  Pfeile sind aber leicht zu übersehen und so kommt es auf dem schmalen Gang immer wieder zu kleinen Staus, wenn man/frau sich begegnet. Der Ausblick über die Stadt und über die Ostsee ist aber grandios. 

Auf dem Weg zurück zum Schiff kommen wir noch an dem Denkmal vorbei, das an den Untergang der "MS Estonia" im Jahr 1994 erinnert. Bei dem Untergang der Ostseefähre starben 852 Menschen und der abbrechende Metallbogen symbolisiert den Untergang des Schiffes auf seiner Fahrtroute von Tallin nach Stockholm. Nur 137 Menschen konnten gerettet werden und bis heute ist die Ursache der Katastrophe nicht geklärt.

Zurück an Bord haben wir das mulmige Gefühl der Erinnerung an die Katastrophe aber bereits wieder verbannt und wir machen es uns auf dem Balkon gemütlich. Die MSC Orchestra legt gerade ab und so haben wir bis zum Abendessen noch schön Sonne auf unserem Balkon. Für die hungrigen Möwen haben wir aber auch nichts dabei.

Um 18:00 Uhr legt dann auch unser Schiff in der sehenswerten Stadt Tallin ab und nimmt über Nacht Kurs auf die schwedische Hauptstadt Stockholm. 

Morgen heißt es dann wieder früh aufstehen um die landschaftlich schöne Fahrt durch die Schären zu genießen. So ungefähr ab 5:00 Uhr ;-).


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